Verhältnis Protein-Fett bei carnivorer oder ketogener Ernährung

Begonnen von Anne, 12. Januar 2025, 13:06:18

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Anne

Hallo zusammen,

zunächst wünsche ich allen ein gutes neues Jahr 2025!

Liebe Susanne, ich las soeben in deinem Tagebuch von einem "Gewichtsverhältnis von Protein zu Fett von 1:1, wie es von Carnivoren für Frauen empfohlen wird".

Aus welchem Grund wird gerade dieses Gewichtsverhältnis empfohlen? Wäre es womöglich nachteilig, wenn man mehr Fett essen würde oder mehr Protein? Wenn ja, warum?

Gibt es auch andere Empfehlungen zum Gewichtsverhältnis Protein-Fett (etwa für Männer)? Was sind übliche Empfehlungen in diesem Bereich?

Gelten diese Empfehlungen auch für Menschen, die sich "nur" ketogen, also nicht carnivor ernähren? Oder gelten andere Empfehlungen, wenn man z. B. 30-40 g Kohlenhydrate am Tag zu sich nimmt?

Ich selbst esse (wohl) ketogen, mit in aller Regel mehr als 30 g Kohlenhydraten am Tag. Ich habe festgestellt, dass ich bei dieser Ernährung auf eine ausreichende Proteinzufuhr achten muss und insbesondere mehr Protein benötige als bei einem höheren Kohlenhydratanteil, woran auch immer dies liegt.

Ich freue mich über jeden, der etwas beitragen kann oder mag, vielleicht auch einfach "nur" die eigenen Erfahrungen!

Susanne

Hallo Anne,

das empfohlene Gewichtsverhältnis ist wohl ein Erfahrungswert: Frauen sind im Durchschnitt weniger muskulös als Männer und benötigen daher weniger Proteine als Männer. Nimmt man mehr Proteine zu sich, als man benötigt, werden sie über die Gluconeogenese in Zucker umgewandelt: Es wird zu viel Insulin ausgeschüttet und die Fettverbrennung kann nicht einsetzen.

Ist der Fettanteil einer Fleischmahlzeit zu gering, gerät man außerdem in Gefahr sich zu überessen, da keine wirkliche Zufriedenheit nach einer Mahlzeit einsetzt. Das ist jedenfalls meine Erfahrung. Hinterher hat man dann unter Umständen mit Durst, Hitzewallungen und Unruhe zu kämpfen.

Das Gewichtsverhältnis von Fetten zu Proteinen von 1:1 ist übrigens nicht das Ende der Fahnenstange: Die Vertreter der paleolithischen ketogenen Diät von "Paleomedicina" empfehlen ein Verhältnis von 2:1 als ideal. Aufgrund deiner Fragen habe ich recherchiert und erfahren, dass unter anderem Lammfleisch dieses Verhältnis hat. Lammfleisch, insbesondere die fettreiche Brust, ist seit Jahren mein Lieblingsfleisch. Mein Instinkt hat mich also schon immer in diese Richtung geführt.

Dass ich mich manchmal zu weniger fettem Fleisch hingezogen fühle, liegt vielleicht an meinen körperlichen Aktivitäten: Ab und zu müssen meine Glykogenreserven wohl über eine höhere Proteinzufuhr aufgefüllt werden. Oder aber über eine ordentliche Portion Kohlenhydrate in From von Früchten!

Betreff ketogene Ernährung: Bei der klassischen ketogenen Ernährung wird ein Anteil von ca. 80 % der Kalorien aus Fett bezogen, 20 % stammen von Eiweiß.

Einmal roh, immer roh 🤩

Anne

Vielen Dank für deine Antwort! Ich hatte übrigens gar nicht mitbekommen, dass du bereits geantwortet hattest. Aus irgendeinem Grund ging ich davon aus, dass ich über Antworten auf einen Beitrag automatisch per E-Mail benachrichtigt werden würde. Diese Annahme war wohl falsch?

Anne

Zitat von: Susanne am 12. Januar 2025, 19:48:50

Betreff ketogene Ernährung: Bei der klassischen ketogenen Ernährung wird ein Anteil von ca. 80 % der Kalorien aus Fett bezogen, 20 % stammen von Eiweiß.

Das müsste doch so ungefähr dem Gewichtsverhältnis (Fett zu Protein) von 2 zu 1 entsprechen, richtig? Oder genauer, etwas weniger als 2 zu 1. Da Fett gut (d. h. etwas mehr als) doppelt so viel Kalorien hat wie Protein.

Für mich ist das Gewichtisverhältnis 2 zu 1 am ehesten realistisch. Auf 1 und 1 komme ich nie - dazu esse ich viel zu wenig Protein...

Susanne

Fett hat tatsächlich ungefähr doppelt so viele Kalorien wie Protein (9 Kalorien pro Gramm Fett im Vergleich zu 4 Kalorien pro Gramm Protein). Also, wenn man das in Bezug auf Kalorien betrachtet, kommt das 2:1-Verhältnis ziemlich gut hin. In der Praxis wird es oft schwierig, ein genaues Verhältnis von 1:1 zu erreichen, ich denke da an den Fettanteil, den man gar nicht sieht!
Einmal roh, immer roh 🤩

Anne

Liebe Susanne, für mich bestätigt sich immer wieder, dass ein zu hoher Fettanteil in der Ernährung, der nicht durch entsprechenden Proteinkonsum "ausgeglichen" wird, kontraproduktiv ist. Ich fühle mich dann nicht so wohl oder entwickle im Extremfall sogar leichte Wassereinlagerungen (bei langem Sitzen in Füßen/Unterschenkeln). Durch Knochenmark kann man den Fettkonsum durchaus in die Höhe treiben, während man zugleich praktisch kein Protein zu sich nimmt. Du hast dich ja mit einer karnivoren Ernährung beschäftigt. Haben diese Beobachtung auch schon andere gemacht? Hast du anderswo schon einmal davon gelesen oder gehört? Das Problem tritt übrigens nicht auf, wenn ich generell zu wenig esse und sich der Körper das fehlende Protein offenbar aus seinen Reserven (Muskeln?) holen kann. Und natürlich tritt das Problem ebenfalls nicht auf, wenn ich genügend Protein esse.

Susanne

Liebe Anne, deine Beobachtung finde ich spannend – und ich frage mich gerade, was für dich konkret ein ,,zu hoher Fettanteil" bedeutet. Ich selbst esse seit Langem sehr fettbetont (mit hohem Anteil an Knochenmark und Baufett und habe solche Reaktionen wie Wassereinlagerungen bisher nicht bemerkt. Möglicherweise reagiert da jeder Organismus unterschiedlich, oder es spielen weitere Faktoren eine Rolle?

In der karnivoren Szene gibt es tatsächlich Diskussionen darüber, ob ein zu hoher Fettanteil – speziell ohne ausreichendes Protein – zu Unwohlsein oder Symptomen wie Lethargie, Verdauungsproblemen oder sogar Wassereinlagerungen führen kann. Manche sprechen vom ,,Fat-to-Protein-Ratio Sweet Spot", der individuell unterschiedlich sei. Von Wassereinlagerungen habe ich aber bisher nur vereinzelt in Zusammenhang mit Elektrolytmangel (v. a. Natrium/Kalium) gelesen – weniger als Reaktion auf ein Missverhältnis von Fett und Protein.

Dein Hinweis, dass du das Phänomen nicht bemerkst, wenn du allgemein wenig isst, ist interessant. Das könnte darauf hindeuten, dass bei kalorischem Defizit andere Prozesse greifen – wie du schon vermutest, z. B. Mobilisierung von Muskeleiweiß.

Hast du schon einmal probiert, verschiedene Fettquellen zu vergleichen? Vielleicht spielt auch die Tageszeit oder die Kombination mit Bewegung eine Rolle – ich bin z. B. körperlich recht aktiv und habe den Eindruck, dass mein Körper dadurch Fett gut verwertet und auch bei fettreichen Mahlzeiten ausgeglichen reagiert.
Einmal roh, immer roh 🤩

Anne

Leider habe ich nicht festgehalten, wie hoch der Fettanteil war, und kann es auch kaum einschätzen. Jedenfalls blieb mein Proteinkonsum oft erheblich unter dem empfohlenen Minimum von 0.8 Gramm Protein pro kg Körpergewicht (obwohl ich z. T. Sport in Form von Bergwanderungen o. dgl. mache). Einfach, weil ich insgesamt sehr wenig Fleisch esse.

Meine Hypothese ist, dass, wenn ich allgemein zu wenig esse (gemessen am kalorischen Tagesbedarf), bestimmte Hormone ausgeschüttet werden, die eine Mobilisierung von Reserven, inklusive Muskeleiweiß, ermöglichen. Dass aber die Voraussetzung für die Ausschüttung dieser Hormone ein allgemeiner Nahrungsmangel ist, so dass sie NICHT ausgeschüttet werden, wenn ich genügend Kalorien (via Fett) esse.

Wenn das stimmt, hätte ich nur die Wahl, entweder genügend Protein mit der Nahrung zu mir zu nehmen oder ein "Teilfasten" zu veranstalten... In der Steinzeit, so schätze ich, gab es wohl eher einen Mangel an Fett als an Protein, da man ja auf die Jagd ging?

Nein, ich habe die Fettquellen nicht miteinander verglichen. Ich denke, das Phänomen trat vor allem nach viel Knochenmark auf. Vermutlich, weil dieses so gut wie kein Protein enthält. 

Susanne

Liebe Anne, deine Hypothese ist aus ernährungsphysiologischer Sicht sehr gut nachvollziehbar. Tatsächlich gibt es Hinweise darauf, dass der menschliche Körper auf einen generellen Nahrungsmangel mit hormonellen Anpassungen reagiert – insbesondere durch die vermehrte Ausschüttung von Glukagon, Adrenalin und Cortisol, die katabole Prozesse aktivieren, also unter anderem die Mobilisierung von Körperfett und Muskeleiweiß ermöglichen. Diese Prozesse setzen in der Regel jedoch nur dann ein, wenn ein kalorisches Defizit vorliegt. Wird dagegen ausreichend Energie zugeführt, aber das Proteinangebot bleibt niedrig, kann es zu einem funktionellen Mangel an essenziellen Aminosäuren kommen, ohne dass die genannten hormonellen Ausgleichsmechanismen anspringen.

In diesem Fall sind Symptome wie Leistungsminderung, Flüssigkeitsretention oder Veränderungen der Körperzusammensetzung möglich – insbesondere, wenn die Ernährung über längere Zeit stark fettbetont und proteinarm ist. Einige Beobachtungen deuten darauf hin, dass reines Fett – wie z. B. Knochenmark – bei sehr niedrigem Proteingehalt in größerer Menge konsumiert, zu einer Art ,,pseudoüberernährtem Mangelzustand" führen kann: energiereich, aber unvollständig in der Versorgung mit Baustoffen.

Evolutionsbiologisch betrachtet dürfte deine Vermutung zutreffen: Mageres Fleisch war vermutlich in der Altsteinzeit leichter verfügbar als Fett, da Wildtiere saisonal sehr unterschiedliche Fettreserven aufwiesen. Daher war Fett hochgeschätzt und wurde bevorzugt verzehrt – gleichzeitig jedoch meist zusammen mit eiweißreichen Geweben wie Muskelfleisch oder Innereien. Reine Fettkost ohne begleitendes Protein war wohl die Ausnahme und entsprach nicht dem typischen Beuteschema.

Die empfohlene Mindestzufuhr von 0,8 g Protein/kg Körpergewicht (bezogen auf Normalgewicht) stellt tatsächlich nur die unterste Grenze für Gesunde ohne Mehrbedarf dar. Bei körperlicher Aktivität oder einseitiger Ernährung (mit überwiegend Fett oder Kohlenhydraten) kann der tatsächliche Bedarf deutlich höher liegen.

Ein Vergleich verschiedener Fettquellen wäre tatsächlich hilfreich, um festzustellen, ob das beobachtete Phänomen konsistent oder spezifisch an bestimmte Nahrungsmittel gebunden ist.
Einmal roh, immer roh 🤩

Anne

Derzeit esse ich "brav" genügend Protein, insofern kann bzw. will ich nicht experimentieren. Mit genügend Protein fühle ich mich allgemein deutlich besser, bin vor allem körperlich viel fitter, die Muskeln regenerieren schneller usw. Der Sommer kann also kommen!

Anne

Knochenmark lasse ich vorerst fort... Wird wohl eine Weile dauern, bis ich mich wieder "trauen" werde, es zu essen.

Susanne

Liebe Anne,
sehr gut, dass du dich mit mehr Protein fitter fühlst, das klingt nach einer richtig guten Grundlage für den Sommer!  8)

Ich habe übrigens auch vor, meinen Fettkonsum über die Sommermonate etwas zu reduzieren. Der Appetit verändert sich ja oft mit der Jahreszeit – und es fühlt sich stimmig an, dem ein Stück weit zu folgen.
Einmal roh, immer roh 🤩

Susanne

Liebe Anne,
angeregt durch unseren Austausch habe ich meinen Fettkonsum doch noch einmal kritisch hinterfragt. Wassereinlagerungen konnte ich bei mir zwar nicht beobachten – aber bei genauem Hinschauen ist mir aufgefallen, dass mein Leistungsvermögen sich seit dem regelmäßigen Verzehr von Rinderfett eindeutig verschlechtert hat. ChatGPT hat mir zu meinem gestrigen Speiseplan (ohne Rinderfett) Folgendes rückgemeldet:

ZitatDu hast heute eine ausgewogene, hochwertige fleischbasierte Rohkost zu dir genommen, die:
deinen Proteinbedarf sicher deckt (und übertrifft),
ausreichend Energie liefert, ohne Zubereitung oder Mischung,
deine Kalziumversorgung hervorragend abdeckt durch Eierschale.

Optimierung (nur bei Bedarf):
Wenn du Schweregefühl, Leistungseinbrüche oder verlangsamte Regeneration bemerkst, wäre ein kleinerer Fettanteil oder eine leichtere Abendmahlzeit ein möglicher Anpassungspunkt.

Da ich an Optimierung immer interessiert bin, werde ich testweise nicht nur das Rinderfett weglassen, sondern auch den Konsum von Markknochen reduzieren. Vielleicht kann ich ja bald auch berichten, dass ich mich wieder fitter fühle – ich bin gespannt!
Einmal roh, immer roh 🤩